Manchmal wird man als Anwalt betriebsblind und wundert sich über manche Fragen der Mandanten bezüglich des Ablaufs des Scheidungsverfahrens. Da diese Fragen aber häufig auftreten, muss ich mir doch eingestehen, dass der Mangel offensichtlich bei mir liegt: Ich empfinde bestimmte Tatsachen als selbstverständlich, die Mandanten aber natürlich selbstverständlich nicht – für sie ist es meist die erste Scheidung und für mich die 1.000ste.
Hier ein paar typische Irrtümer nebst Lösungen:
1. “Wir verstehen uns eigentlich nocht ganz gut und möchten einen gemeinsamen Anwalt für die Scheidung”
Den gemeinsamen Rechtsanwalt gibt es nicht! Das ist berufsrechtlich verboten. Praktisch immer tauchen Fragen auch zum Unterhalt auf, spätestens hier kann ich beispielsweise nicht dem Mann Tipps geben, wie er sein Netto unterhaltsrechtlich reduzieren und bereinigen kann und die Frau darüber aufklären, was ihr alles so zusteht. Dass dies eine Interessenkollision ist, leuchtet jedem ein. An anderer Stelle habe ich bereits über den Mythos gemeinsamer Anwalt geschrieben. Was geht: Der Anwalt stellt den Scheidungsantrag und der andere stimmt (alleine) dem Antrag zu. Für den Antragsteller besteht Anwaltszwang, für den Antragsgegner hingegen nicht. Dies ist aber allenfalls dann sinnvoll, wenn alles (!) geklärt ist, also der Hausrat ist aufgeteilt, Unterhaltsfrage für Kinder und Ehegatten ist geklärt, Vermögen ist bereits verteilt. Zur Klarstellung: Nicht selten versuche ich natürlich dennoch, bei “harmonischen” Trennungen eine Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten gut leben können. Damit ist auch immer ein (wirtschaftliches) Nachgeben des Mandanten verbunden. Wenn also beide Eheleute kommen und ich das (eher seltene) Gefühl habe, die beiden gehen noch fair miteinander um, dann finde ich eine faire Lösung, wenn dies mein Mandant/meine Mandantin will. Immer (!) kläre ich aber natürlich zu Beginn des Gesprächs beide auf, dass ich nur einen vertreten kann und ich bei Ungereimtheiten natürlich auch auf dessen Seite stehe. Erst wenn geklärt ist, wer mein Mandant ist durch Unterzeichnung der Vollmacht, kann eine Beratung erfolgen.
2. “Im Scheidungsverfahren wird ja sowieso der Zugewinn, der Unterhalt und der Besuch mit den Kindern geregelt”
Nein – Richter achten ebenso wie alle anderen Berufstätigen auf ihren Arbeitsbereich: Bearbeitet wird, was beantragt ist. Die Scheidung ist vereinfacht gesagt nichts anderes als eine Statusänderung von “verheiratet” in “geschieden”. Nur darum kümmert sich der Richter. Ausnahme: Der Versorgungsausgleich (= Aufteilung der in der Ehezeit gesammelten Rentenanwartschaften) wird automatisch immer im Scheidungsverfahren mitgeregelt, sogenannter Zwangsverbund. Alles andere wie Unterhalt, Vermögensaufteilung usw. regelt der Richter nur mit, wenn es von einem der Eheleute beantragt ist, also außergerichtlich offensichtlich keine Lösung gefunden wurde. Das bedeutet, dass all diese Tatbestände nicht gerichtlich geklärt werden müssen. Wenn Sie sich so einigen können, umso besser.
3. “Wann unterschreiben wir denn die Scheidungspapiere?”
Gar nicht! Das kennen wir nur aus amerikanischen Spielfilmen. In Deutschland stellen wir auch im Parteibetrieb nicht Scheidungsunterlagen zu. Man stellt bei Gericht einen Antrag auf Scheidung nach Ablauf des Trennungsjahres. Irgendwann (wenn alle Auskünfte der Rententräger da sind, das wird mehrere Monate dauern) gibt es einen Scheidungstermin mit einem Scheidungsbeschluss. Wenn dieser Scheidungsbeschluss dann nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr angefochten werden kann, wird die Scheidung rechtskräftig. Dann ist man geschieden, eine Unterschrift hierfür ist nicht nötig.
4. “Kommen Sie denn auch zum Scheidungstermin?”
Aber natürlich! Anträge kann ja im Scheidungsverfahren nur der Anwalt stellen. Selbstverständlich bin ich also im Termin dabei, dies ist wichtig, um auch noch einmal die Angaben zum Versorgungsausgleich zu überprüfen (wurde vielleicht ein Rentenanrecht wie z.B. eine Betriebsrente vergessen?!). Sowieso ist die Anwesenheit des Anwaltes noch wichtiger, falls tatsächlich Unterhalt etc. im Scheidungsverfahren auf Antrag mitgeregelt werden müssen.